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Wenn politische Kampagnen Recht sprechen: Der Fall Brosius-Gersdorf und die Erschütterung unseres Rechtsstaats

Am 7. August 2025 zog Prof. Frauke Brosius‑Gersdorf ihre Nominierung zur Verfassungsrichterin zurück. Was wie ein Einzelfall klingt, war ein politisches Erdbeben – mit Folgen, die über den Einzelfall hinausgehen: gezielte Desinformation, parteipolitische Taktik und digitale Hetzkampagnen – und das gegen eine hochqualifizierte Juristin.

Eine würdige Kandidatin – zunächst tragfähig

Die SPD nominierte eine glaubwürdige Persönlichkeit: eine Professorin für Verfassungsrecht mit exzellentem Lebenslauf und ausgeprägtem Engagement. Die Union signalisierte erst Zustimmung – und wenige Tage vor der Wahl zog sie diese wieder zurück. Begründung: „Gewissensbedenken“ einiger Abgeordneter wegen Brosius‑Gersdorfs Haltung zu Schwangerschaftsabbruch, Impfpflicht und AfD. Plötzlich pampte eine orchestrierte Kampagne – rechte Medien, Drohungen, haltlose Plagiatsvorwürfe, Social-Media-Em­pörungsstürme.

Kein Gespräch, kein Schutz – stattdessen: Kapitulation

Keine Rückendeckung. Kein Austausch mit der Union, keine Chance zur inhaltlichen Auseinandersetzung – nur Taktik statt Sachlichkeit. Am Ende zog Brosius‑Gersdorf selbst den Schlussstrich. Aus Prinzip. Aus Verantwortung für das Verfassungsgericht. Aus Sorge um das demokratische System.

Was bleibt, ist ein fader Beigeschmack

Das war kein Streit um Positionen. Es war der Sieg des Populismus über Prinzipien. Eine Integrationsfigur tritt zurück, weil Teile der CDU sich von rechten Narrative treiben ließen. Erosion des Glaubens daran, dass Richterwahlen in Deutschland auf Qualifikation statt Twitter-Trends beruhen.

Eine demokratische Weckruf: Jetzt ist Umkehr gefragt

Wir sollten das nicht als Episode abtun. Wir müssen fragen: Was bedeutet das für die Unabhängigkeit des BVerfG? Für die Qualität des Diskurses? Für die Resilienz unserer Demokratie? Wer sagt, das treffe nur „linke Kandidaten“, irrt – heute ist es Brosius-Gersdorf, morgen vielleicht jemand anderes aus dem anderen Lager.

Wollen wir, dass Empörung und Verzerrung künftige Auswahlprozesse dominieren, verlieren wir die Mitte, die Vernunft – und am Ende den Respekt vor dem Recht.

Es liegt jetzt an uns demokratischen Fraktionen:

  • Kein Richterwahlkampf mehr durch Hetzkampagnen
  • Keine Taktik auf Kosten der Justiz
  • Kein Schweigen, wo Haltung gefragt ist

Frauke Brosius‑Gersdorf hat Haltung gezeigt. Jetzt sind wir dran – mit demokratischer Standhaftigkeit. Nicht, weil sie von der SPD kam, sondern weil sie für etwas stand, das wir alle verteidigen: die Würde der Verfassung.


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