Reflektieren. Diskutieren. Gestalten.

Merz und die CDU – Auf Kollisionskurs mit internationalem Recht?

Die CDU unter Friedrich Merz hat kürzlich Forderungen aufgestellt, die die politische Debatte über Asyl und Sicherheit in Deutschland neu entfacht haben. Doch wie tragfähig sind diese Forderungen, wenn man sie genauer unter die Lupe nimmt und mit den rechtlichen Rahmenbedingungen abgleicht?

Forderung I: Abschiebung ausreisepflichtiger Syrer und Afghanen

Die CDU argumentiert, dass die Abschiebung von ausreisepflichtigen Syrern und Afghanen rechtlich möglich sei, basierend auf Gerichtsurteilen und der Praxis anderer Länder wie Schweden. Allerdings ignoriert diese Argumentation aktuelle Sicherheitsbewertungen von internationalen Organisationen, die weiterhin erhebliche Risiken für Rückkehrer in diese Länder sehen. Der Verweis auf freiwillige Rückkehrer verharmlost die Tatsache, dass viele von ihnen unter Zwang oder aus Verzweiflung zurückkehren. Die rechtliche Grundlage für pauschale Abschiebungen ist daher keineswegs so klar, wie es die CDU darstellt.

Forderung II: Dauerhafte Grenzkontrollen und Zurückweisungen bei illegalen Einreisen

Die CDU behauptet, dass Grenzkontrollen und Zurückweisungen notwendig und rechtlich zulässig seien, da das Dublin-System gescheitert sei. Tatsächlich dürfen Grenzkontrollen im Schengen-Raum nur in Ausnahmefällen und zeitlich befristet eingesetzt werden. Eine pauschale Zurückweisung ohne individuelle Prüfung widerspricht den Grundprinzipien des Asylrechts und könnte den Zusammenhalt in der EU gefährden. Die CDU fordert eine rechtliche Klarstellung auf EU-Ebene, was aber nicht unumstritten ist und zeigt, dass die Rechtslage keineswegs eindeutig ist.

Forderung III: Aufnahmestopp für Asylbewerber aus Syrien und Afghanistan

Die CDU argumentiert, dass ein Aufnahmestopp für Asylbewerber aus Syrien und Afghanistan rechtlich machbar sei, da nur wenige von ihnen nach Artikel 16a Grundgesetz asylberechtigt seien. Doch dieser Vorschlag ignoriert die Tatsache, dass ein solcher Aufnahmestopp erhebliche rechtliche Probleme mit sich bringt. Nach Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta ist das Recht auf Asyl garantiert, und die Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet Deutschland, Schutzsuchenden ein faires Asylverfahren zu gewähren. Ein pauschaler Aufnahmestopp wäre daher nicht nur ethisch fragwürdig, sondern auch rechtlich unzulässig.

Forderung IV: Verlust des Schutzstatus bei Reisen in die Heimatländer

Die CDU fordert, dass Flüchtlinge ihren Schutzstatus verlieren, wenn sie in ihre Heimatländer reisen. Während dies logisch klingt, übersehen sie, dass Reisen oft aus zwingenden Gründen, wie familiären Verpflichtungen, stattfinden. Eine pauschale Aberkennung des Schutzstatus ohne Einzelfallprüfung würde Schutzbedürftige weiter gefährden und könnte zu einem Verlust des Vertrauens in das deutsche Rechtssystem führen. Ein solcher Ansatz würde das Asylrecht erheblich aushöhlen.

Forderung V: Unbegrenzter Ausreisegewahrsam

Die CDU schlägt einen „Ausreisearrest“ vor, der einem unbegrenzten Gewahrsam entspricht. Sie argumentieren, dass dies keine unzulässige Freiheitsentziehung sei, weil die Betroffenen jederzeit in ihre Heimat zurückkehren könnten. Diese Argumentation ignoriert jedoch die Realität der Betroffenen, für die eine Rückkehr oft keine Option ist. Ein unbegrenzter Gewahrsam könnte gegen das EU-Recht verstoßen und die Grundrechte der betroffenen Personen stark einschränken.

Forderung VI: Rückabwicklung der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Die CDU möchte die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts rückgängig machen und zur vorherigen Rechtslage zurückkehren. Dies würde jedoch einen erheblichen Rückschritt für die Integration bedeuten und könnte das Signal senden, dass Deutschland sich von einer offenen und inklusiven Gesellschaft abwendet. Die Rückabwicklung könnte die Integration von Einwanderern erschweren und die gesellschaftliche Spaltung vertiefen.

Forderung VII: Umsetzung des „sicheren Drittstaats“

Die CDU plant, Asylbewerber in „sichere Drittstaaten“ außerhalb Europas zu schicken. Dies würde theoretisch den Migrationsdruck auf Deutschland mindern, ignoriert jedoch die komplexe Realität der Fluchtursachen und die Risiken für die Betroffenen. Die Umsetzung dieses Konzepts könnte das Asylrecht unterminieren und den Schutzsuchenden den Zugang zu fairen Asylverfahren verwehren.

Solingen: Ein unpassendes Argument

Merz argumentiert, dass strengere Gesetze den Vorfall in Solingen hätten verhindern können. Doch Experten widersprechen: Viele Täter radikalisieren sich unabhängig von gesetzlichen Rahmenbedingungen. Statt Sicherheitsprobleme durch neue Gesetze zu lösen, bedarf es umfassender Präventionsmaßnahmen, die auf Integration und Bildung setzen. Merz‘ Rhetorik könnte den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden, indem sie auf einfache Lösungen und polarisierende Parolen setzt.

Fazit: Populismus über Recht und Moral?

Die Forderungen der CDU, wie im FAQ dargestellt, scheinen oft mehr politischer Rhetorik als durchdachter Politik zu entspringen. Viele ihrer Vorschläge ignorieren die komplexe Realität internationaler Verpflichtungen und die Auswirkungen auf die Menschenrechte. Während die CDU behauptet, die Sicherheit zu erhöhen, könnten ihre Maßnahmen das Gegenteil bewirken. Es ist wichtig, die tatsächlichen Bedürfnisse der Gesellschaft und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, anstatt populistische Forderungen zu verfolgen, die langfristig mehr Schaden als Nutzen bringen könnten.

Die aktuelle Regierung hat bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um mehr Menschen abzuschieben und gleichzeitig humanitäre Verpflichtungen zu erfüllen. Dieses Jahr wurden bereits deutlich mehr Menschen abgeschoben als zuvor. Viele Afghanen, die auf Schutz gehofft hatten, wurden jedoch im Stich gelassen, was die Sicherheitslage eher verschlechtert. Solingen zeigt, dass es nicht nur auf Repression, sondern auch auf Prävention und Integration ankommt. Die Rechte und die Menschenwürde müssen stets im Mittelpunkt stehen.

Es ist an der Zeit, diese populistischen Parolen zu entlarven und klarzustellen: Rechte und Menschenwürde sind nicht verhandelbar. Will Herr Merz wirklich Schengen, die Genfer Konvention, das Dublin-Abkommen und die EU aufkündigen? Wenn ja, dann sollte er den Menschen auch die Konsequenzen erklären.

Quelle: FAQ der CDU zu dem Thema


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Share via
Copy link
Powered by Social Snap